Die erste Chance war am vergangenen Samstag vergeben worden. Statt mit klugem Witz das Konstrukt RB Leipzig zu entlarven, entlarvten sich die Protest-Fans beim BVB mit Transparenten, deren Inhalt zum Teil jenseits jeden Niveaus anzusiedeln war. Aber laut, immerhin laut geriet der Protest. Laut, weil flächendeckend. Dutzende Plakate ergaben ein deutliches Bild der Einigkeit auf der Südtribüne: gegen RB Leipzig!
Außergewöhnliche Vorgänge in der Fußball-Bundesliga
Dass draußen auf den Straßen Menschen durch andere Menschen zu Schaden gekommen waren, führte nun dazu, dass beim Pokalspiel gegen Berlin am Mittwochabend erneut protestiert wurde. Und zwar gegen Gewalt. Die Videobotschaft von Kapitän Marcel Schmelzer war gut, Stadionsprecher Norbert Dickel begrüßte unter dem Eindruck der Geschehnisse nicht wie sonst „die besten Fans der Welt“. Am Donnerstag trafen sich die BVB-Bosse mit den Machern von RB Leipzig, um sich von Angesicht zu Angesicht zu entschuldigen. Eine gemeinsame Presseerklärung folgte. Das sind außergewöhnliche Vorgänge in der Fußball-Bundesliga. Und Signale, die hoffentlich wirken.
Wer aber die Bilder von der Südtribüne am Samstag mit jenen vom Mittwoch vergleicht, der muss eine Diskrepanz feststellen: Die Antwort auf die dröhnende Wut gegenüber RB Leipzig fiel eher schüchtern aus: vereinzelt, kleinteilig, unauffällig. Der Aufstand der Anständigen geriet zu anständig. Das ist kein Vorwurf, sondern lediglich eine Feststellung.
Es war kaum machbar, binnen vier Tagen Schriftzüge in der Größe eines Lkw zu produzieren. Aber es wäre gut gewesen, wenn der Protest gegen Gewalt mit annähernd vergleichbarer Leidenschaft geführt worden wäre wie der gegen einen Klub. Vielen – vor allem Richtung Mitte der Südtribüne – schien auch mit ein paar Tagen Abstand nicht daran gelegen, Stellung gegen Gewalt zu beziehen. Das ist auch ein Zeichen – und eine zweite vergebene Chance. Zumindest vorerst.